Das Büelrain ist stark auf Wirtschaft und Recht ausgerichtet: Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler wählt das Profil Wirtschaft und Recht (WR), daneben wird das geisteswissenschaftliche Profil PPP (Philosophie, Psychologie, Pädagogik) angeboten. Ergänzt wird unser Bildungsangebot durch die Handels- und Informatikmittelschule, die beide wiederum auf Wirtschaft und Recht fokussiert sind. Steht nun diese Fokussierung im Gegensatz zur MINT-Förderung unserer Schule?
Wir legen grossen Wert darauf, unsere Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen der heutigen Welt vorzubereiten. Dazu gehört nicht nur ökonomisches und juristisches Denken, sondern auch ein Verständnis für die Grundlagen von Wissenschaft und Wahrheit. In einer Zeit, in der Fakten relativiert, wissenschaftliche Erkenntnisse angezweifelt und ganze Wirklichkeitsbilder in sozialen Medien verzerrt werden, kommt der MINT-Förderung eine besonders wichtige Rolle zu.
Ob bei der Bekämpfung von Pandemien, im Umgang mit dem Klimawandel oder in der Debatte über Künstliche Intelligenz oder computerbasierte Algorithmen in sozialen Medien: zentrale Fragen unserer Zeit sind wissenschaftlich-technischer Natur. Gleichzeitig erleben wir, wie in Teilen der Gesellschaft wissenschaftliche Argumente nicht nur ignoriert, sondern aktiv diskreditiert werden. Die Aussage «das stimmt nicht» genügt mancherorts, um fundierte Forschungsergebnisse in Frage zu stellen – ohne Beleg, aber mit grosser medialer Wirkung.
Der Begriff der «alternativen Fakten», geprägt im Umfeld des amtierenden US-Präsidenten, steht sinnbildlich für diesen Trend: Fakten werden zur Ansichtssache, Meinung ersetzt die wissenschaftliche Erkenntnis, und in den Echokammern sozialer Netzwerke verbreiten sich Falschinformationen rasend schnell. Fake News erhalten mehr Aufmerksamkeit als die seriöse Wissenschaft und Verschwörungserzählungen untergraben das Vertrauen in Institutionen.
Das MINT-Label, das die KBW im Jahr 2021 erhalten hat, und die nun anstehende Rezertifizierung verweisen darauf, dass an unserer Schule die wissenschaftliche Bildung stark gefördert wird. Unsere Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur kritisch denken können, sondern auch erkennen, woran man Wahrheit erkennt. Wissenschaftliches Denken ist kein «Glauben», sondern ein systematischer Weg, verlässliches Wissen zu gewinnen – durch Beobachtung, Überprüfung, Falsifikation, Wiederholbarkeit und Offenheit für neue Erkenntnisse.
Die MINT-Fächer bieten einen konkreten Raum, in dem diese Prinzipien erfahrbar werden:
- In der Mathematik lernen Jugendliche, logisch und konsistent zu argumentieren.
- In den Naturwissenschaften erkennen sie, wie Theorien von gesammelten Daten abgeleitet werden und sich verändern können. Und sie lernen, wie die biologische, physische und chemische Welt um sie funktioniert.
- Das Wissen aus der Informatik hilft ihnen, digitale Kompetenz und ein Verständnis für Medien aufzubauen, was im Zeitalter der Social Media zentral ist.
Auch für WR oder PPP sind diese Kompetenzen unverzichtbar. Die Schülerinnen und Schüler sollen in der Lage sein, Daten kritisch zu interpretieren, KI-Systeme einzuschätzen und zwischen faktenbasierter Analyse und Meinungsblasen zu unterscheiden.
Darum fördern wir am Büelrain ganz bewusst eine starke MINT-Kultur. Denn Bildung, die zur Mündigkeit führt, braucht mehr als Wissen – sie braucht ein Verständnis für Wahrheit, wissenschaftliche Prinzipien und die Mechanismen digitaler Kommunikation. So schaffen wir Vertrauen in die Wissenschaft, stärken das Urteilsvermögen und führen unsere Schülerinnen und Schüler mit der (Berufs-)Matur zu echter Gesellschaftsreife.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Peter Lautenschlager, Prorektor