Solarenergie macht Schule

Maturandentag: Transparente mit Sprüchen zu Aufbruch und Freiheit zieren das Schulhausgebäude an der Rosenstrasse, eine bunte Schar von 630 Büelrainern und Büelrainerinnen steht auf dem «Wiesenstadion» davor. Und auf dem Balkon im obersten Stock ruft Nick Eichmann im T-Shirt mit dem Aufdruck «myblueplanet» der Menge zu: «Hallo zäme! Vor einem Jahr habe ich hier meinen letzten Schultag am Büeli gefeiert.»

Er leistet seit einem Jahr Zivildienst als Mitarbeiter der Non-Profit-Organisation myblueplanet und wirbt heute für deren Anliegen: «Die Glacés, die auf euch in einer Gefriertruhe warten, werden mit Energie aus einer Solarzelle gekühlt.» Myblueplanet setzt sich nämlich mit Kampagnen und Aktionen vielseitig für den Klimaschutz ein. Wie heute an diesem sonnigen Tag: Sie stellt die Solarzelle für den Glacéwagen zur Verfügung und wird ab dem neuen Semester an der KBW Schulprojekte zum Thema Klimaschutz unterstützen und begleiten. Nach Umzug in das neue Minergieschulhaus im Sommer 2019 wird das Solarzellendach dafür Anschauungsmaterial vor Ort liefern.

Nick Eichmann ist über das Stellenportal des Zivildienstamtes auf myblueplanet gestossen. Er wollte seinen Ersatzdienst in einem Job leisten, der ihm die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Fragen ermöglicht. Und diesen Job hat er vor der Haustüre gefunden: Die Büros von myblueplanet befinden sich im historisch bedeutenden Volkarthaus beim Winterthurer Bahnhof, wo der Organisation zu günstigen Konditionen Räumlichkeiten vermietet werden. Myblueplanet arbeitet mit Sponsoren, Partnern und vielen Freiwilligen: «Nur wenige der Mitarbeitenden sind festangestellt. Die meisten arbeiten ehrenamtlich oder sind eben Zivis wie ich.»

«Wie ein Feuerwerk» hätten sich vor ihm die Möglichkeiten, die ihm diese Stelle eröffneten, entfaltet, beschreibt Nick seine Erinnerung an das Vorstellungsgespräch. Und dass er sogar an einem Projekt für seine ehemalige Schule habe mitarbeiten können, sei natürlich toll.

Eines der Projekte von myblueplanet heisst «Jede Zelle zählt – Solarenergie macht Schule (JZZ)». Ursprünglich war es das Ziel, Schulhausdächer mit Solarzellen zu bestücken. Unterdessen hat sich der Fokus verschoben: «Heute konzentriert sich JZZ auf begleitende Bildungsinhalte, die auf die Sensibilisierung der Schüler und Schülerinnen für Klimafragen abzielen. JZZ sammelt Gelder für ‹symbolische Solarzellen›, die für verschiedene Bildungsinhalte eingesetzt werden. Mitarbeitende von myblueplanet entwickeln mit den Bildungsverantwortlichen der Schulen Konzepte, die das Interesse der Schülerschaft für Umweltfragen wecken sollen. Das Angebot ist erlebnisorientiert und will neue Perspektiven im Umgang mit Klimafragen eröffnen», erklärt Nick Eichmann im Gespräch. Myblueplanet initiiert am «Initialday» das Projekt mit einem Anlass und betreut die Schulen danach während ein paar Jahren. Die Lehrpersonen aller Fächer sollen motiviert werden, das Thema Klimaschutz in ihren Unterricht einzubauen. Myblueplanet stellt Unterrichtsmaterial zur Verfügung, empfiehlt Angebote von Partnern (zum Beispiel «Pusch», «Filme für die Erde») oder hilft, Weiterbildungen und Projektwochen zu organisieren. An erster Stelle steht die Förderung eines kreativen Umgangs mit Umweltfragen: «Nicht mögliche Klimakatastrophen sollen im Zentrum stehen, sondern das Entwickeln von Ideen, wie die Herausforderung Klimaschutz angegangen werden könnte.»

Myblueplanet arbeitet bereits mit 17 Schulen zusammen; die KBW wird aber die erste Mittelschule sein, die am Projekt JZZ teilnimmt.

2019 wird die KBW den Neubau an der Rosenstrasse beziehen können. Die auf dem Dach installierte Photovoltaikanlage ist Anlass für eine 5-jährige Zusammen-arbeit mit myblueplanet. Im Herbst 2017 hat sich das Kantonsparlament entschieden, die alternative Energiequelle für das neue Schulhaus zu finanzieren. Kurz danach haben Mitarbeitende von myblueplanet und eine Gruppe der KBW, mit Vertretern der Schulleitung, der Lehrer- und der Schülerschaft, die Zusammenarbeit aufgenommen. Ihre Aufgabe ist zunächst die Organisation des Fundraisings und die Entwicklung von Ideen zur Integration von Bildungsinhalten in den Unterricht. In einem zweiten Schritt wird das Crowd-funding gestartet. Ein Schülerrat soll gegründet werden, der Projekte initiiert und umsetzt. Die Herausforderung wird die Integration dieser Projekte in die bereits bestehenden Strukturen, zum Beispiel von Lehrplänen, sein. Nick Eichmann nennt Beispiele: «Die Gelder für die virtuellen Solarzellen werden für die Finanzierung der Projekte verwendet. Vielleicht wird in Zukunft eine solarbetriebene Station die Schülerhandys laden und werden die Leistungsdaten der Solarzelle, die die Anzeigetafel Solarfox visualisiert, für Berechnungen in Mathematik oder Physik verwendet.»

Nick Eichmann ist begeistert von seiner Zeit als Zivildienstleistender. Seine Wahl, im nächsten Jahr das Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften zu starten, hat mit seiner Arbeit bei myblueplanet zu tun: «Ich habe viel dazugelernt, über den Klimaschutz, aber auch über das Kampagnen-Marketing. Öffentlichkeitsarbeit gefällt mir sehr und hat mich in meiner Studienwahl beeinflusst.» Vielleicht sitzt Nick in ein paar Jahren selber im Marketing-Chefsessel einer Non-Profit-Organisation. Seinen letzten Tag als Zivi bei myblueplanet hat er auf jeden Fall als Solarzellen-Glacéwagen-Meister mit Bravour bestanden.

Martina Albertini, Deutschlehrerin